ÖVP Interview"Homosexuelle Partnerschaften gleichstellen und anerkennen."
Von Michael Ziesmann, 01.09.2006
Die ÖVP stellt seit 6 Jahren unter Bundeskanzler Schüssel eine Mehrheit im Nationalrat. Wir wollten wissen welche Ziele erreicht oder verfehlt wurden. War die ÖVP in der Regierung untätig, wie ihr die Opposition vorwirft? Was möchte die ÖVP bei einem Wahlsieg für Schwule tun? Erstmals äußert sich die ÖVP dazu. Dr. Reinhold Lopatka, Generalsekretär der ÖVP Bundespartei, antwortet: GAYNET: Wie erklären Sie den deutlich unterproportionalen Wähleranteil bei Schwulen verglichen mit der Gesamtbevölkerung? Bedauern Sie dies oder ist es Ihnen egal? Lopatka: Das Wort »pars« – daher auch das Wort Partei – bedeutet natürlich, dass es in der Politik nie möglich ist, alle Interessen zu vereinen. Insofern stimmt es, dass der von Ihnen genannte Wähleranteil nicht unserem Wahlergebnis aus dem Jahr 2002 entspricht. Doch hat uns damals eine breite Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ihr Vertrauen für die Hauptverantwortung in diesem Land geschenkt. Und eine ebenso breite Koalition mit möglichst vielen Wählerinnen und Wählern ist auch unser Ziel für den 1. Oktober. GAYNET: Sie werben auf Wahlplakaten »In Österreich geht’s uns gut.« Vielen Schwulen und Lesben geht es jedoch nicht gut: Sie werden diskriminiert, können keine Lebensgemeinschaften eingehen, können keine Verantwortung für den Lebenspartner übernehmen und fühlen sich von der Regierung unter ihrer Führung nicht vertreten. Wollen Sie diesen Umstand, mit dem Österreich in Sachen Gleichstellung Schlusslicht in Europa ist, ändern und wenn ja wie? Lopatka: Ja, Österreich ist für viele ein Erfolgsmodell! Um unsere Arbeitsmarktdaten mit Beschäftigtenhöchststand und sinkender Arbeitslosigkeit beneiden uns viele andere Länder. Unsere Wirtschaft wächst überproportional und auf das dichte soziale Netz ist Verlass. Wenn das nicht alle so sehen, so tut mir das leid. Was die Tatsache betrifft, dass die Gesellschaft zu neuen und vielschichtigen Formen des Zusammenlebens geführt hat, so sollen gleichgeschlechtliche Paare in Toleranz, Akzeptanz und Offenheit ihren Platz in einer modernen Gesellschaft einnehmen. Die ÖVP hat zur Gleichstellung von Lebensgemeinschaften einen Parteivorstands-Beschluss gefasst, der künftig Lebensgemeinschaften – seien heterosexuelle oder homosexuelle – miteinander gleichstellen und im Sinne von Partnerschaften von zwei Personen unabhängig von deren Geschlecht anerkannt werden sollen. GAYNET: Was genau möchten Sie für Minderheiten umsetzen wenn Sie Teil einer Regierung bleiben? Lopatka: Abgesehen von der Umsetzung des Parteivorstandsbeschlusses, die in der letzten Legislaturperiode leider nicht mehr möglich war, entspricht die von uns vorgeschlagene generelle Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer sicher den Wünschen vieler Menschen, die in einer Lebenspartnerschaft leben. Bislang gelten Lebensgefährten als »Fremde« und müssen den höchsten Steuersatz bezahlen. Das könnte damit der Geschichte angehören. | Wahlplakat der ÖVP Reinhold Lopatka erklärt die Standpunkte der ÖVP Schwule Lebenspartner sollen nicht mehr als Fremde geltenGAYNET: Die ÖVP vermittelt ein Familienbild, das ausschließlich Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau vorsieht. Warum grenzen Sie gleichgeschlechtliche Partnerschaften wie z.B. kürzlich im Familienpaket explizit aus – obwohl diese in der Gesellschaft längst akzeptiert sind? Machen Sie eine Politik die an den gesellschaftlichen Realitäten vorbei geht?
Lopatka: Die österreichische Rechtsordnung trennt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Ehe und Lebensgemeinschaften. Diese klare Abgrenzung wird in der Bevölkerung als solche bewusst wahrgenommen und erfährt auch eine sehr hohe Akzeptanz. Zwingenden Rechtsfolgen für Rechte und Pflichten der Ehe steht die gesetzlich unverbindliche Lebensgemeinschaft gegenüber. Die österreichische Rechtsordnung gibt freiwilligen Vereinbarungen im Sinne der geltenden Vertragsfreiheit einen sehr breiten Raum, womit Lebensgemeinschaften eine große Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt ist. U.a. ist heute auch der gemeinsame Erwerb von Wohnungseigentum auch für Lebenspartner möglich. GAYNET: 23% der schwulen Wähler sind unentschlossen. Was sagen Sie denen damit auch diese Ihnen ihre Stimme geben? Lopatka: Heute steht Österreich, gerade im internationalen Vergleich, gut da. Das war nicht immer einfach. Viele Probleme mussten angegangen, viele Entscheidungen – auch unpopuläre – getroffen werden. Dazu gehört vor allem Verantwortungsbereitschaft. Aber wir haben gut gewirtschaftet und so die Rahmenbedingungen gesetzt, damit die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt und in Österreich weiterhin Verlass ist auf das breite soziale Netz. Verlässliche Politik braucht keine leichtfertigen Versprechungen oder unfinanzierbare Forderungen. Die Frage am 1. Oktober wird daher lauten: Wer wird in Zukunft unser Land führen? In welche Richtung werden wir gehen? Diese Entscheidung treffen Sie! GAYNET: Herr Lopatka, wir bedanken uns für das Interview. Das Interview führte Michael Ziesmann, freier Journalist in Wien
In der kommenden Woche stellt sich die FPÖ als viertstärkste Partei bei schwulen Wählern den Fragen von GAYNET. Link: Was Schwule wählen |