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Gay Syria

Syrien: Schwule werden langsam selbstbewusster
Von Günther Selinger, 14.05.2009

In einem verrauchten Internet Café in einer Seitenstraße von Damaskus sitzen junge Syrer vor Computerbildschirmen und browsen. Die internationalen Popsongs im Lokal lassen fast vergessen, dass man sich in einem Land befindet, in dem Homosexualität verboten ist.

Das Internet Café besitzt ein Programm, das die Internetzensur umgeht, die Kontaktseiten blockt. Zu Zweit oder zu Dritt sitzen Männer zusammen und tratschen über die gewagten Bilder der Anschluss Suchenden. Das ist eine vertraute Szene im gesamten Mittleren Osten geworden.

Versteckt von zufälligen Blicken, haben sich im orient andere Nutzungsarten des Internets gebildet. Im hinteren Bereich treiben sich junge Männer gern auf schwulen Seiten herum. Das Verbot macht diese Aktivitäten wie überall nur noch reizvoller.

In einem Land, dass für seine überpräsente Geheimpolizei, für Spitzeln und Naderer bekannt ist, würde man eine schwule Community erwarten, die Angst vor der Verfolgung durch Authoritäten hat. Genau genommen wird Homosexualität in Syrien mit bis zu 3 Jahren Kerker gestraft. Das Gesetz wird jedoch nur in Ausnahmefällen angewandt.

Im allgemeinen fühlen sich homosexuelle Männer nicht mehr überwacht als jeder andere Syrer. Besonders die jüngere intellektuelle Bevölkerung hat immer weniger Probleme mit Homosexuellen. Immer häufiger hört man vorsichtig formulierte öffentliche Stimmen, die die Illegalität von Homosexualität in Zweifel ziehen und Schwule entkriminalisieren wollen. Viele haben im Ausland studiert oder haben auf Unis leichteren Internetzugang als ungebildete. Weiters ist, um das westliche Weltbild besser kennenzulernen, eine entsprechende Fremdsprache von eminenter Bedeutung.

Offen Homosexuelle selbst sind freilich nur selten bei den  Systemkritikern. Zu tief sitzt die Angst, dass man ihr Engagement gegen sie verwenden könnte, besonders, wenn sie einen anderen Gesetzesverstoß begehen würden. "Am meisten befürchten wir, dass die entsprechende Anmerkung in unseren Akten gegen uns verwendet werden könnte oder wir deshalb besonders bespitzelt werden", sagt ein schwuler Student.

Syrien ist jedenfalls eines der tolerantesten Länder des Vorderen Orients, zumindest was Homosexualität betrifft. Schwule Touristen gehen sogar so weit, dass sie Syrien als "schwules Paradies" bezeichnen, eine eklatente Übertreibung, obwohl sie vielleicht Berechtigung hat, wenn man die Situation von Schwulen vieler muslimischen Nachbarstaaten betrachtet.

Immer noch ist es gefährlich in Syrien, dem Gaydar zu vertrauen. So sind die Datingsites zur wichtigen Plattform geworden. Viele besorgen sich günstige Prepaid-Mobiltelefone, über die Kontakte gehalten werden. Die Handys werden weggeworfen, wenn Gefahr gewittert wird.

Die Bloggs boomen. Hier kann man in Internet anonym Meinungen tauschen, Kontakte knüpfen.  Gebloggt wird alles, was öffentlich nicht gesagt werden darf. Auch so kann sich langsam eine selbstbewusste Community aufbauen. Etwa fünf Websites haben sich auch in Syrien als lokale Datingpages entwickelt. Lasziv räkeln sich Männer auf Betten oder spielen provokativ mit ihren Muskeln. Wie auch bei Gayromeo kann man bei Interesse über das System eine Nachricht senden und versuchen, ein Treffen zu vereinbaren.

In der Szene wird lachend eine Episode erzählt: Es hätten sich einmal Vater und Sohn anonym gedated, sie
wären beim Treffen fast im Boden versunken.

Ansonsten hat die syrische Szene interessanterweise Ähnlichkeiten mit jener im bzw. nach dem Weltkrieg in Österreich. Sie splittet sich in "maskuline" und "feminine" Mitglieder auf. Sie bleiben meist unter sich, treffen einander aber bei großen privaten Partys. Die promintesten werden in Damaskus gefeiert. Um anonym feiern zu können, bitten sie meist befreundete, in Syrien ansässige Ausländer, eine abgelegene Ferienvilla zu mieten, deren Miete aber traditionell von der Community bezahlt wird. Dann tauchen die Partygäste mit großen Stereoanlagen und den nötigen Speisen und Getränken auf und feiern ausgelassen.

Ansonsten gibt es keine ausgesprochen schwule Lokale, aber es gibt einige Aufrisslokale, die Insidern bekannt sind. Auch Parks, simple Kaffeehäuser oder eben Internet Cafés eignen sich gut für Kontakte, wenn die nötige Vorsicht gewahrt wird. Besonders von Hammams wird gemunkelt, dass viele Angestellte schwul seien und auch Sex anbieten.

Feste schwule Beziehungen sind aber in Damaskus selten. Allerdings ist speziell für "maskuline" Homosexuelle eine Heirat kein Hinderungsgrund, ihre Affären mit Männern einzustellen. Jüngere Homosexuelle sehnen sich aber bereits häufig nach einer eheähnlichen Verbindung mit einem Mann, obwohl sie wissen, dass das noch lange nicht so leicht verwirklicht werden kann.

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Die meisten Männer gestehen sich aus religiösen und gesellschaftlichen Gründen nicht ein, homosexuell zu sein. Sie wären bisexuell, behaupten sie. Und glauben es wohl selbst, hoffen, dass sie neben der Familie noch ein geheimes - oder besser noch der Ehefrau bekanntes - schwules Doppelleben führen können.

Der Zugang zur Homosexualität von Moslems ist anders als der europäische. Da Frauen als Jungfrauen in die Ehe gehen müssen, ist eine voreheliche Beziehung zu einer Frau unmöglich. Viele schwule Moslems sind davon überzeugt, nur aus Gründen der sexuellen Frustration und Triebbefriedigung mit Männern zu schlafen, aber dass sie deshalb nicht schwul wären. Schließlich wird der passive Analverkehr nur von "bisexuellen" Männern verachtenswerten Homos zugelassen. 

Auch männliche Freunde haben einen anderen Stellenwert als im Westen. Zärtlichkeiten zwischen Männern in der Öffentlichkeit sind üblich, physische Intimität darf demonstriert werden, Händchen halten und Wangenküsse sind keine Seltenheit. Auch im selben Bett zu schlafen sieht man als normal an. So können auch Schwule relativ unerkannt bleiben. Schwierig wird es aber, einen anderen Schwulen zu erkennen.

Interessant ist auch, dass schwule Männer in Syrien zu ihrer Religiosität stehen. Selten findet man einen Atheisten. Die beiden Hauptreligionen, Islam und Christentum verbieten Homosexualität. So sind Probleme mit dem Ego vorprogrammiert. Die meisten Schwulen sind neurotisch, fühlen sich schuldig oder verwirrt.

Auf den Straßen ist kein schwules Leben zu erkennen. Wenn man aber der Community glauben darf, ist hinter verschlossenen Türen aber um einiges mehr los, als im Westen.



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