Sex-Drogen

Eisspray statt Poppers?
Von Christopher Ganz, 15.10.2007

Ein Selbstversuch, der nicht wiederholt werden sollte

Ich gebe zu, mit Poppers kenne ich mich aus. Verblüfft bin ich, als ich die Tage in einem GAYNET-Profil lese: »Einmal PP oder Eisspray und los geht’s!« Eisspray? Wo um Himmels Willen sprüht man sich das denn drauf?

Ich ahnungsloses Mäuschen frage bei dem Sexsuchenden nach. »Das sprüht man in ein Taschentuch und inhaliert es. Ist allerdings nur für den passiven Part zu empfehlen, weil dabei alles abschlafft«, klärt er mich auf. Okay, alles klar, ein alternativer Schnüffelstoff. Statt einer Nase Amylnitrit eine Portion Chlorethyl. »Dr. Henning muss es aber sein«, bekomme ich noch mit auf den Weg.

Gestern in der Apotheke frage ich forsch nach Eisspray. Der junge Apotheker verzieht keine Miene, fragt auch nicht, ob ich das günstigere Präparat von Ratiopharm haben möchte und stellt mir »Dr. Henning« hin. »Kennen Sie sich damit aus? Damit kein größerer Schaden entsteht«, fragt er. Ob er etwas ahnt? Ich sehe schließlich nicht aus wie ein Profisportler. Allerdings auch nicht wie ein jugendlicher Klebstoffschnüffler, der sich alles Mögliche unter die Nase hält.

Zwei Minuten Klingeln im Kopf

Daheim inhaliere ich zunächst ganz vorsichtig, es passiert überhaupt nichts. Ich ziehe das leicht süßlich riechende Gas tiefer in meine Lungen, und plötzlich setzt die Wirkung ein: In meinem Nacken geht eine Heizung an. Jemand legt eine elektrische Spannung an meinen Kopf, die Haut fühlt sich ganz kribbelig an. Mein Mund steht halb offen, registriere ich zwischendurch, das sieht bestimmt dämlich aus. Meine Sehstärke erhöht sich um 100 Prozent, alles ist viel schärfer. Und dann setzt dieser komische Klingelton ein, so einer, wie man ihn bei Windows kennt, wenn man versehentlich etwas Schweres auf die Tastatur gelegt hat, und der Rechner beschwert sich mit einem permanenten »bimbimbimbimbim«.

Nach zwei Minuten ist die Glocke weg, der Strom wieder abgestellt und die Wärme schwindet. Mir ist nicht klar, wieso jemand in so einem unangenehmen Zustand Sex haben kann und will.

Graffiti einer Spraydose

Facts

Eisspray gehört zu den so genannten Schnüffeldrogen. Diese werden vor allem konsumiert, weil sie leicht und legal zu beschaffen und vergleichsweise günstig sind. Das Schnüffeln kann psychisch abhängig machen.

Das Inhalieren von Eisspray ist gesundheitsgefährdend. Nach dem Schnüffeln zeigt der Körper oft Abwehrreaktionen wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und schwache Benommenheit. Erst dann erfolgt der eigentliche Rausch.

Als Nebenwirkungen kann es zu Nasenbluten, Husten, Übelkeit und Erbrechen kommen. Es können Krampfanfälle (z.B. Kehlkopfkrampf), Verwirrtheit, Reizung der Haut und der Schleimhäute, Konzentrations- und Koordinationsschwierigkeiten auftreten. Die Kommunikationsfähigkeit ist häufig eingeschränkt. Die Sauerstoffaufnahmefähigkeit der Lungen kann blockiert werden. Weiterhin sind Störungen des Herzkreislauf- und des Atemsystems möglich (bis hin zu Atemlähmung und Tod). Nach dem Schnüffelrausch tritt häufig eine Art Kater mit Kopfschmerz und Konzentrationsschwierigkeiten auf.

Als Langzeitnebenwirkungen kann es zu Verätzungen der Atemwege, Hautschäden und Entzündungen, Lungen-, Leber- und Nierenschäden kommen. Vor allem durch den Mangel an Sauerstoff können irreversible Nerven- und Hirnschäden auftreten. Längerer Konsum führt zu Demenz, auch Persönlichkeitsveränderungen sind möglich.


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