Kommentar

Wüstenstrom?!
Kommentar von Mag. Johannes Wahala, 13.09.07

1987 hat die amerikanische Gesellschaft für Psychiatrie Homosexualität als psychiatrische bzw. psychische Störung ersatzlos aus ihrer Klassifiaktion (DSM III-R) gestrichen; 1991 zog die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im ICD-10 nach. Als stigmatisierendes Überbleibsel ist die "Ichdystone Sexualorientierung" in der Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) zu finden. Damit ist gemeint, dass die Geschlechtsidentität bzw. sexuelle Orientierung - heterosexuell, homosexuell oder bisexuell - eindeutig ist, aber die betreffende Person den Wunsch hat, dass 'diese wegen begleitender psychischer oder Verhaltensstörungen anders wäre'.

Die Veranstalter des Kongresses "Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie", der im Oktober 2007 in Graz stattfindet, haben einen Workshop zum Thema "Therapeutisches Arbeit bei ichdystoner Sexualorientierung", geleitet von Markus Hoffmann, dem Leiter von Wüstenstrom Deutschland, zugelassen. Damit sollte Homosexualität wieder problematisiert, pathologisiert und stigmatisiert werden. Denn Wüstenstrom ist eine evangelikal-fundamentalistische Bewegung, die sich die "Heilung" Homosexueller zum Ziel gesetzt hat. Hoffmann entstammt der "Ex-Gay-Bewegung", bezeichnet sich selber als "geheilt" und meint, dass eine homosexuelle Lebensweise 'sündhaftes Verhalten', 'Ausdruck eines Traumas' ist und 'suchtartige Züge' annehmen kann. Homosexualität sei, so seine Überzeugung, eine Identitätsstörung des Mann- bzw. Frauseins, Homosexuelle erleben ihre Beziehungen oft auf dem emotionalen Niveau eines Kindes. Deswegen sei bei Homosexuellen eine 'Nachreifung der Persönlichkeit' notwendig, weswegen ihn die Veranstalter des Kongresses gleich mit einem zweiten Workshop mit dem verräterischen Titel 'Aufbruch Leben - ein Gruppenseelsorgeprogramm zur Förderung von Identität des Mann- und des Frauseins' betrauten.

Wüstenstrom arbeitet eng mit der Leiterin des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft des Vereins Christen in der Offensive, Christl Vonholdt, zusammen, die die männliche Homosexualität mit dem Kannibalismus vergleicht, da ' der homosexuell empfindende Mann sich die Männlichkeit und Stärke, die er am anderen bewundert, sich durch den sexuellen Akt einverleiben' möchte. Eine intensive Zusammenarbeit gibt es auch mit dem christlich-fundamentalistischen Psychologen aus Amerika, Joseph Nicolosi, der in seiner 'Reparative Therapy' behauptet, dass Gott nur Heterosexuelle erschaffen habe und somit Homosexualität eine Identitätsstörung sei.

Kommentar

Die Empörung der internationalen wissenschaftlichen Fachwelt und der les/bi/schwulen Organisationen war groß. Zunächst argumentierten die Veranstalter äußerst polemisch auf die vorgebrachten Einwände. Als jedoch der Druck zu groß wurde, wurde die Workshops Hoffmanns aus dem Programm genommen. In einer Stellungnahme zur Kritik erklären die Veranstalter, dass ein Workshop über die Therapie von Homosexualität nicht zugelassen worden wäre. Dieses Argument entbehrt jeglicher Glaubwürdigkeit, da man sich über die Person Markus Hoffmann und seine Intentionen als Veranstalter eines wissenschaftlichen Kongresses erkundigen hätte müssen. Weiters erklären die Veranstalter, dass es zu Markus Hoffmann und dem Verein Wüstenstrom kein Naheverhältnis gäbe. Auch dies ist nicht glaubwürdig, da der Kongressleiter Univ.-Doz. Dr. Raphael M. Bonelli dem konservativem katholischen Opus Dei angehört und Kardinal Christoph Schönborn, der dem wissenschaftlichen Beirat des Kongresses angehört, der Verein Wüstenstrom bestens bekannt ist. Die Intentionen von Wüstenstrom als Grundlage einer geordneten wissenschaftlichen Diskussion heranziehen zu wollen, entbehrt jedweden Kommentares.

Univ.-Lekt. Mag. Johannes Wahala
Psychotherapeut, Leiter der PartnerInnen-, Familien- und Sexualberatungsstelle COURAGE Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung

Link: Artikel "Zurück ins Mittelalter?"
Link: Beratungsstelle Courage


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