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Hans Werner Henze

Ein Mann für jede Tonart.
von Peter Jobst.30.10.2012.

Als Komponist, Dirigent, Autor, Pädagoge am Ende seines Lebens gefeiert, mit Preisen überhäuft: Der Autodidakt, Rebell, utopische Träumer prägt das Musik-, Film- und Theaterleben seiner Zeit wie kein anderer.

Er propagiert keine Theorie einer radikal neuen Tonsprache. Weltgewandt treibt er als genialer Musik-Verführer den opulenten Orchester-Klang auf die Spitze. Sein Credo ist die Schönheit.

Damit erregt er den Zorn der Darmstädter Schule (Stockhausen, Nono, Boulez, Ligeti), die als Gralshüter der Avantgarde ihr Konzept mit verbissenem Eifer verteidigen.

Die Anfänge sind für den homosexuellen Sohn eines überzeugten Nazis gefährlich. Der Vater, ein Lehrer, will ihn mit allen Mitteln umpolen, notfalls in einem KZ. Henze überlebt den Horror, verstärkt durch Militär, Krieg und Gefangenschaft.

Studium in Heidelberg, Darmstadt, Paris. In den 50er Jahren gerät er, von seiner Vermieterin denunziert, mit dem § 175 in Konflikt. 1953 emigriert er nach Italien, wo das Gesetz den offenen Umgang mit seinen Neigungen erlaubt:

Ischia, Neapel, Rom sind für ihn das Tor zur neuen Welt. Dort trifft er W. H. Auden, William Walton, Ingeborg Bachmann, Luchino Visconti: Den Kontakt zur Heimat hält er mit Freundschaften (Wenzel Lüdecke, Klaus Geitel) aufrecht.

Sein Engagement für die Linke bringt ihm Schmähungen + Eklats ein: Er wird ausgepfiffen, boykottiert. Der Rias-Chor weigert sich, unter der roten Flagge das Che Guevara gewidmete Oratorium «Das Floß der Medusa» zu singen.

Zu Sehstörungen auf seinem (politisch) linken Auge schweigt er später. So "übersieht" der passionierte Anhänger von Fidel Castro die Verfolgung, Internierung und Vertreibung schwuler Männer auf Cuba.

Mit seiner Musik feiert er Triumphe. Mit Präzision komponiert er auch sein Leben: Hochtrabend, preußisch pflichttreu, zielsicher. Als Italiendeutscher genießt er Theatralik und Erfolg in vollen Zügen. Italinanità par excellence.

Seinen Librettisten (Ingeborg Bachmann, W.H. Auden + Chester Kallman, Edward Bond, Hans Magnus Enzensberger, Hans-Ulrich Treichel) ist er sprachlich absolut ebenbürtig.
 
Wortgewalt, Spiritualität, Charme, gutes Aussehen: Der blonde Hans, der anders als die anderen ist, fasziniert Publikum wie Interpreten.

Die besten ihres Faches musizieren für ihn, so Dietrich Fischer-Dieskau, Martha Mödl, Edita Gruberova, Edda Moser, Peter Pears, Christoph Eschenbach, Gidon Kremer, eine endlose Liste.

Auch seine Texte sind undogmatisch leicht und transparent geprägt: Kurz, bündig, eindeutig, berührend formuliert er Botschaften. Den "Lobgesang auf einen geliebten Freund" schreibt für seinen 2007 verstorbenen Lebensgefährten Fausto Moroni.


In company mit Margot, Rudolf, Ingeborg
Ein schillerndes Leben voll Licht und Schatten

Facts

Hans Werner Henze (* 1. Juli 1926 in Gütersloh; † 27. Oktober 2012 in Dresden)



Werke (Auswahl)
10 Symphonien, Kammermusik, Lieder, Kantaten, 19 Opern («Boulevard Solitude», «König Hirsch», «Der Prinz von Homburg», «Elegie für junge Liebende», «Die Bassariden», «L'Upupa», «Der junge Lord», «Wir erreichen den Fluss», «Die englische Katze», «La Cubana», «El Cimarrón», «Das Verratene Meer», «Venus und Adonis», «Phaedra»), Ballette («Undine», «Marathon), Filmmusik («Muriel, ou le Temps d’un retour - Alain Resnais, «Der junge Törless» - Volker Schlöndorff, «L'amour à mort» - Alain Resnais, «Eine Liebe von Swann» - Volker Schlöndorff)

Biografien:
Jens Rosteck: Hans Werner Henze, Rosen und Revolutionen. Propyläen Verlag, Berlin 2010.
Ingeborg Bachmann, Hans Werner Henze: "Briefe einer Freundschaft". 538 Seiten, 19,90 Euro. Verlag Piper.
Hans Werner Henze: Reiselieder mit böhmischen Quinten. Autobiographische Mitteilungen 1926 – 1995. S.fischer Verlag. Frankfurt 1996


Fotos: © Dominik Ketz, Dieter Hartwig, M. Creutziger, www.schott-musik.de, Costin Radu, www.semper.de



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