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Im weißen Rössl

Weißes Rössl aus Berlin
von Peter Jobst.24.08.2012.


Keine Operette spiegelt so exemplarisch Entwicklung, Glanz, Elend, Widersprüche diese Genres wider, wie das "Weiße Rössl". Das zeigt die Erst-Aufführung der in Zagreb wieder entdeckten Original-Partitur in der Komischen Oper Berlin.


Diese Version sollte nach Wunsch der Nazis vernichtet werden: Zu jüdisch, urban, entartet, respektlos im Umgang mit Sex, Volks- und Brauchtum, vor allem aber zu schwul (!), auch wenn Homosexualität nicht explizit vorkommt.

 

Wie jede Operette hat auch Das weiße Rössl viele Autoren: Ralph Benatzky, Bruno Granichstaedten, Robert Stolz sind Juden, Erik Charell, Hans Müller dazu noch (offen) homosexuell, Robert Gilbert Kommunist. Nur Eduard Künnecke, der das Rössl orchestriert, ist als Arier clean im Sinne der Nazis:

Der Kulturkampf, der um dieses Hotel am Wolfgangsee ausbricht, erreicht in den 50er Jahren einen ersten Höhepunkt: Peter Alexander + Waltraud Haas sind das Maß der Dinge: Bei uns, da ist's richtig, in der Stadt ist's verkehrt: Anti-Urbanismus als Tourismus-Motor. Erst die Geschwister Pfister schießen mit mit Sarkasmus zurück.



Die Inszenierung von Sebastian Baumgarten zeigt eine Welt vor dem (Sünden)Fall: Wohlfühl-Operette, Revue, Parodie, Komische Oper, musikalisches Lustspiel, Kitsch, Kalauer, Karikatur, surrealer Albtraum, anarchisch, pralles Volkstheater, Idylle. All das ist das Werk in seiner ursprünglichen Fassung.


Lustig sind in dieser himmelblauen Welt nur die Touristen. Die Einheimischen schauen zu: Wirtin Josepha, ohne eigenes Lied, und ihr Zahlkellner Leopold warten genügsam auf Gäste: Happy-End am Wolfgangsee.


Max Hopp, in absoluter Hochform, singt, turnt, parodiert, imitiert, elektrisiert: Männlich, charmant, ritterlich im Frack, präzise komisch als Tenor wie als Mini-Hitler mit Slapstick! Dagmar Manzel empfängt mit blonden Zöpfen, Dirndl mit Kampfdekolleté: Bei diesem hemmunslosen Paarungstrieb spielen die Hormone verrückt.

Das fidele Hotel mit bröckelnder Fassade, in dem wohl keiner Erholung findet, wird von restaurativer Kaiser-Weisheit zugekleistert. (Schweige und begnüge dich, lächle und füge dich!). Operette, bis es kracht:

Ein musikalisches Ereignis: Die Musiker sind im ganzen Haus verteilt. Bezaubernde Melodien, turbulente Massenaufzüge, Akteure in Höchstform. Die Rössl-Frage beanstwortet auch dieser Abend nicht: Wird Unterwäsche vorne oder hinten auf- und zugeknöpft?


Mit scharfer Munition: Komische Oper Berlin
Kaiser-Weisheit: Irm Hermann als Franz-Joseph

Facts

Im Weißen Rößl
Singspiel von Ralph Benatzky
Libretto von Hans Müller + Erik Charell
Gesangstexte von Robert Gilbert.




Komische Oper Berlin
Unter den Linden 41
Regie: Sebastian Baumgarten, Musikalische Leitung: Koen Schoots, Bühnenbild: Janina Audick, Kostüme: Nina Kroschinske, Choreographie: Brigitte Cuvelier, Dramaturgie: Ingo Gerlach, mit: Dagmar Manzel, Max Hopp, Dieter Montag, Kathrin Angerer, Christoph Späth, Peter Renz, Thorsten Merten, Julia Giebel, Miguel Abrantes Ostrowski, Irm Hermann, Mirka Wagner, Hannah Elisabeth Sußmann, Matthias Spenke, Frank Baer, Eberhard Krispin, Julia Bossen, Hans-Jörg Bertram, Daniel Regenberg (Klavier), BVG-Orchester e.V., Chor und Orchester der Komischen Oper Berlin.



Fotos: © Österreichisches Theatermuseum, Komische Oper Berlin (Iko Freese/drama-berlin.de), Kammerspiele Wien



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