Augenblick, verweile
von Peter Jobst.23.03.2012.

Choreograf Hans Henning Paar verlässt München: Intendantenwechsel im Theater am Gärtnerplatz! Das Haus wird vorübergehend geschlossen und renoviert. Paar verabschiedet sich mit einem berührenden Geschenk an seine erfolgreiche Truppe, die aufgelöst wird.

Peter Iljitsch Tschaikowsky, allgegenwärtig im Leben klassischer Tänzer, ist Thema: Parallelen zwischen dem Schöpfer unsterblicher Ballette und deren Interpreten drängen sich auf:

Die getanzten Bilder evozieren seelischer Zerrissenheit, Selbstzweifel, Flucht, Reisen, Heimatlosigkeit, Sehnsucht, Heimweh, Einsamkeit, permanentes Kommen und Gehen, Abschiednehmen. So leben nicht nur Tänzer.

Kurzzeitiger Engagements schaffen Euphorie und Augenblicke höchsten Glücks: Leidenschaftlich gehen diese Tänzer in ihrer Kunst auf. Die Einheit zwischen Bewegung und Musik als Treffen mit Gleichgesinnten schenkt den Zuschauern Sternstunden.

Das Bühnenbild ist an diesem Abend bereits abgebaut: Die Tänzer bewegen sich wie rastlose Vagabunden mit gepackten Koffern. Emotionen und Klänge evozieren kontroverse Stimmungen in knappen, zart poetischen, humorvollen Bildern.

Auflösung eines großartigen Ensembles: Der schmerzhaft-kreative Impuls mündet in eine wunderbare Hommage an Tänzer, die alle Register ihres Können ausspielen: Soli, Pas-de-deux, Ensembles, Pirouetten, Hebungen.

Skurril-komische Momente: Prinzen hängen im Kostüm-Fundus an einer Kleiderstange. Ein Schwanen-Duo hebt Unterschiede zwischen Mann-Frau auf: Anspielungen auf den Komponisten, der mit seiner (Homo)Sexualität nie klar kam?

Dirigent Andreas Kowalewitz und Elaine Ortiz Arandes musizieren auf hohem Niveau: Der erfahrene Tschaikowsky-Interpret Paar verzichtet auf die großen Ballette und lässt an diesem Abend der Kammermusik und den Liedern den Vortritt. Ein ungewöhnlicher Tanzabend, der nachdenklich stimmt.