Georg Kreisler †Schwarzer Humor
von Peter Jobst.27.11.2011 Scharfzüngig, makaber, zynisch provokant, pechschwarze Ironie, Spott, scharfer Blick auf die Wirklichkeit, politisch brisantes Kabarett: Das alles war Georg Kreisler. Der Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts studiert in Wien Klavier, Violine, Musik. Sein Wunsch, Dirigent zu werden, bleibt ein unerfüllt. Er emigriert mit den Eltern 1938 in die USA. Dort überlebt er als Klavierlehrer, Pianist, Sänger, Texter. So lernt so sein Handwerk in Hollywood und am Broadway. Der Mann am Klavier spielt für Charlie Chaplin in »Monsieur Verdoux«: Als US-Bürger dolmetscht er nach dem Krieg Verhöre von NS-Verbrecher, die er als hilflose, alte Männer wahrnimmt. Eine tiefe Hass-Liebe zu Wien prägt Leben und Werk des ruhelosen Wanderers. Freundlich lächelnd, mit Hornbrille, Scheitel, Anzug, Krawatte trägt er am Klavier mit sonorer Stimme Couplets, Moritaten, Balladen vor. Mit Qualtinger, Bronner und anderen führt er das Wiener Kabarett zu einer Höheblüte. In seiner Heimat fühlt er sich als Komponist und Dichter unterschätzt, ignoriert, verkannt. Die Wunden, die ihm Österreich schlägt, sind nie verheilt. Sein Unbehagen über Gesellschaft und Politik verstärkt seinen Ruf als Anarchist, hellsichtigen Schwarzmaler: Der Meister des Dazwischen schreibt gegen den Strich: «Everblacks», «Nichtarischen Arien», «Protest nach Noten». Auf der Bühne verkörpert er anzüglich, tückisch, zynisch, spöttisch, mörderisch grinsend, selbstzufrieden den gebildeten Spießer: Rundfunk- + Fernsehboykotte folgen, Kreisler kommt auf mehr als einen Index. Viel später erlebt er mit Tim Fischer als Interpret Triumphe: »Adam Schaf hat Angst«, ein Stück über einen schwulen Schauspieler in den 50er Jahren inszeniert er nach Werner Schroeter neu mit seinem besten Interpreten. Mit feinen, leichten Strichen verändert er für ihn frühe Chanson, so das Lied über einen schwulen Sekretär. Der Abend »Gnadenlose Abrechnung«, an dem Fischer auch das einstige Skandal-Lied "Please shoot your husband" vorträgt, ist heute ein Klassiker der Kleinkunst. Tim Fischer erlebt Kreisler als vielseitigen, zärtlich mitfühlenden Mann mit einem breiten, nie eingleisigen Gefühlsspektrum. Stücke wie «Heute Abend: Lola Blau» oder die Oper «Das Aquarium oder die Stimme der Vernunft» sind als Kunstwerke zeitlos. Daniel Kehlmann bezeichnet Georg Kreisler als den besten lyrischen Dichter deutscher Sprache. Fakt ist: Kaum ein Autor verfügt über so eine musikalische und subtil präzise Sprache als der Mann aus Wien, dessen Reise in Salzburg zu Ende ging. | mit Topsy Küppers + Barbara Peters Georg Kreisler + Tim Fischer FactsGeorg Franz Kreisler (* 18. Juli 1922 in Wien; † 22. November 2011 in Salzburg)
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