Ein gewisser Blick
von Peter Jobst,18.09.2011.
Xavier Dolans "Herzensbrecher" bricht nicht nur die Herzen von Männern und Frauen: Mit der »Sophisticated Comedy«, auf Augenhöhe mit Noel Cowards spritzigen Komödien, erobert er das Publikum im Sturm.
Der hübsche Franco-Kanadier ver- und bezaubert im Film wie auf Festivals (Cannes) mit seinem Aussehen. Selbstsicher und souverän zelebriert er Schwulen Lebensstil seiner Generation und Art-House-Kino vom Feinsten.
Wie Molieres Hypochonder Argan sind die heterosexuelle Marie und der schwule Francis von einer unheilbaren Krankheit befallen: Ihre eingebildete Maladie d’Amour wird zur gefährlichen Liebschaft.
Auf der Jagd nach gut aussehenden Jungs treffen sie auf den blonden Lockenkopf Nicholas, der zum idealen Spielgefährte wird: jung, schön, selbst verliebt, ein Narziss in reinster Verkörperung.

In einem Ring-Kampf um dessen Gunst gehen die beiden bei einer Prügelei vor den Augen des blonden Objektes ihrer Begierde zu Boden. Nicholas kostet die Huldigung bis zur bitteren Neige aus.
Grenzen zwischen Geilheit, Fantasie, Begierde Obsession Stalking verschwinden. Ein Blick in den Spiegel und Bilder attraktiver Jungs aus der Provinz im urbanen Montreal erscheinen:
Dolan spielt mit Filmästhetik (Standbilder, Rück- und Vorwärtsblenden, Zeitlupe): Er unterbricht den chronologischen Ablauf durch kühne Zwischenschnitte.
Interviews und Selbsterfahrung bringen das zur Sprache, was die Charaktere mit cooler Nonchalance verdrängen. Ménage-à-Trois à la Jules et Jim aus schwuler Sicht als Hommage an das französische Kino.
Frech, salopp, unverblümt evoziert und zitiert Dolan Stars wie Audrey Hebpurn, James Dean: Er selbst scheint einer Zeichnung von Jean Cocteau entsprungen zu sein. Dalidas Song Dang Dang taucht die Zuschauer in ein Kraftwerk der Gefühle ein.
Ebenso plötzlich, wie Nicolas auftaucht, verschwindet er von Leinwand. Auf einer Party, wo man seine Rückkehr feiert, treffen die Blicke der beiden Dauer-Verliebten auf Louis Garrel, Leading Beau des französischen Kinos: Das Fest wird auch nach diesem Kino-Vergnügen weitergehen!
In Etienne Desrosiers Miroirs d’Été (DVD Junge Helden) verkörpert Xavier Dolan einen heutigen Narziss: Im Gegensatz zu Vorbildern hat dieser gelernt in diesem Meer von Selbst-Liebe oben zu schwimmen, ohne dabei in seinem Spiegelbild zu ertrinken. Zeitgeist vielleicht?