Heterosexueller Schein:
von Peter Jobst, 12.08.2011.

Eine Bilderbuch-Karriere: Jurastudium, Auftritt in Berlin (1971) Plattenvertrag. Durchbruch im ZDF. Beschwörung heiler (Traum)Welten in Dieter Thomas Hecks «Hitparade».

Das Geheimnis seines Erfolges: gefühlvolle, weiche Gangart, lange Haaren, sanfte Stimme, ohne hartes Macho-Image: Als Junge mit Mundharmonika oder kleiner Prinz, ist Bernd Clüver Mr. Right und idealer Schwiegersohn im Schlagerhimmel der 70er.

Schattenseiten lernt er bald kennen. In der Coverversion von Under One Roof», Mike und sein Freund« (1976), singt der damlige Star über Homosexualität: ein unverzeihlicher Tabu-Bruch in der deutschen Schlager-Branche.

Der Song ist zwar vorsichtig und verbrämt, aber die Fakten sind hart und klar: 2 Jungs, die sich lieben, werden vom Vater des einen in den Tod gehetzt. Die Ballade über Mikes Freitod appelliert an Mitgefühl und Verständnis für Schwule.

Das Lied kommt gut an, doch dann schlagen Aufsichtsräte als Hüter öffentlicher + kirchlicher Medien-Moral zu. Sie verbieten die Ausstrahlung des Liedes in Radio und TV.

Bernd Clüver gerät unter Druck: Er demonstriert Hetero-Sexualität wenig glaubhaft durch Ehen mit ehemaligen Schönheitsköniginnen. Landauf, landab versichert er in Interviews, dass er nicht ‚so‘ sei.

Sein Tod verdeutlicht die Verlogenheit und Heuchelei der Branche. Deutsche Schlager spiegeln schwule Lebensgefühle wider, besonders der jährliche Song-Contest wird zum schwulen Heimspiel.

Vorfälle wie der Selbstmord von Rex Gildo, der lebenslang ein Doppelleben führt, verdeutlichen eine extreme Homophobie in diesem Metier: Man tut alles, um einen heterosexuellen Schein in idealen Taum- und Ersatzwelten aufrecht zu erhalten.

Nur wenige, wie Jürgen Marcus,  stehen zu ihrer Veranlagung, wofür sie einen hohen Preis bezahlen. Mit Scheinehen, Tarnungen und anderen kostspieligen Manövern machen sich die meisten lächerlich, unglaubwürdig, erpressbar.

Am 28. Juli 2011 stirbt Clüver in Palma de Mallorca an den Folgen eines Sturzes, unter letzten Endes nicht geklärten Umständen. Sein letztes Album (2006) nannte er ‚Offen und ehrlich‘.