Literarische Sensation
von Peter Jobst. 21.02.2011.
Französische Kritiker waren überwältigt von der Reife, Brillanz und Tiefe von Tristan Garcias erstem Roman: "Der beste Teil der Menschen". Realität und Fiktion münden in die Geschichte einer Epoche, in der sich schwules Leben verändert.
Erzählt wird die Story von Elisabeth, einer Journalistin bei Libération. Ihr Kollege, der politisch engagierte Dominique, gründet die erste schwule AIDS-Hilfe. Der gut aussehende William landet wie einst Manon Lescaut in der Metropole, wo er ebenfalls einen rasanten Auf- und Abstieg erlebt.
Der dritte im Bunde, der Hetero Jean-Michel Leibowitz, Elisabeths verheirateter Lover und Sohn jüdischer Immigranten, wird als Medienstar später sogar Kulturminister. Ein Mann, wie ihn das Fernsehen liebt und der zunehmend die Freuden der Macht auskostet.
Freundschaft, Liebe, Hass und Ehrgeiz bewegen 3 Männer in einer Zeit, in der Schwule ihre Sexualität zum ersten Mal in der Geschichte frei und offen ausleben dürfen: Diese neue Freiheit wird bald von Krankheit und Tod (AIDS) überschattet.
Neid, Eifersucht, Pathos, Halbwissen, Rhetorik entscheiden in diesem neuen Eldorado über Aufstieg, Untergang und (Selbst) Zerstörung.
Glaubhafte und literarisch gelungene Figuren wandeln durch ein für Schwule gelobtes Land, in dem Heteros, Linke und Frauen in ihrer Tristesse, Langeweile und Apathie auf Nebenschauplätzen landen. Schwuler Sex wird als politisch verstanden.
Ein Schelmenroman über diese neue Generation: William organisiert Sexpartys, auf denen sich Teilnehmer gegenseitig (mit dem Virus!) befruchten. Sein Roman voll wirrer Ideen und provokantem Blödsinn wird ein sensationeller Erfolg. Er selbst ist für kurze Zeit Star der schwulen Szene.
Sein (Ex-)Lover Dominique propagiert Kampagnen für sicheren Sex in einem gesellschaftlichen Konsens: ein unverzeihlicher Verrat in Williams Augen. Die ehemaligen Freunde werden erbitterte Feinde und führen einen mörderischen Überlebenskampf, der schwule Männer wieder zu Verlierer macht.
Konkurrenz, Hass, Ehrgeiz und Neid bewegen den öffentlichen Diskurs. Extremer Hedonismus, Krankheit und Tod bestimmen den Schwulen Alltag.
Reale Vorbilder sind nur leicht verschlüsselt: Gai Pied ist Blason, Act-Up wird zu Stand-Up: Auch die Figuren haben reale Vorbilder: William erinnert an Guillaume Dustan, Dominique an Didier Lestrade, Jean-Michel Leibovitz an Alain Fienkelkraut.
Einsamkeit, Großmut, Sensibilität, Menschenliebe, Melancholie stehen gegen Egomanie, Krankheit, Lebenswille und unbeholfene Originalität in diesem dichten wie abwechslungsreichen Epos.
Das von einem heterosexuellen Autor verfasstes Meisterwerk wirft einen neuen, ungewöhnlichen Blick auf die Civilisation Française. Der im vergangen Jahr verstorbene Jean Le Bitoux stand Pate bei diesem literarischen Memento. Der Roman war in Paris wochenlang ausverkauft.