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Fritz J. Raddatz

Der Unruhestifter.
von Peter Jobst.22.01.2011.

Erklärt der § 175 die Berührungsängste deutscher Autoren und Kritiker bei schwulen Themen? Hans Mayer schreibt zwar das Bannbrechenden Werk "Außenseiter", privat spielt er sein Schwul-Sein herunter.


Fritz J. Raddatz ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Er setzt als Kritiker und Herausgeber Maßstäbe. Lange muss er zwar sein schwules (Doppel)-Leben tarnen. In seinen Kolumnen jedoch attackiert dieser Unruhestifter gnadenlos kritisch das langweilige, verklemmt verlogene Ambiente in der Kultur- und Literaturszene.

Zweifel und Versagensängste kompensiert er mit Arroganz: Er gibt sich als Snob, Salon-Kommunist, Dandy. Subversiv, elegant, kettenrauchend und mit schnellem Porsche überspielt er Bruchlandungen und Rückschläge in seiner Karriere.

Nach einem falschen Goethe-Zitat wird er als Chef der Feuilleton-Redaktion der Zeit rausgeworfen: Er ist weiter als Kolumnist tätig ist. Rache + (Schlacht)Fest seiner (homophoben?) Feinde? FJR schlägt zurück!


In seinen Tagebüchern versprüht der Mann, der den Frankfurter Bahnhof in die Goethezeit versetzt, Gift und Galle: Ausfälle gegen Rivalen, Kollegen, Konkurrenten und Heilige Kühe der Nation füllen die Seiten.


Onkel Fritz gibt tiefe Einblicke in sein kämpferisches Leben voll Panik, Paranoia und Furcht vor Entlarvung, eine schwule Urangst. Entwaffnend ehrlich schildert er Sex kurz, treffend und anschaulich.


Dass er in den heute legendären Interviews Männer und Frauen (Susan Sontag, James Baldwin) näher kommt, als viele heterosexuelle Kollegen, die auf konventioneller Ebene stehen bleiben, ist diesen ein Dorn im Auge.


Er ist kein unsichtbar dankbarer Vasall reicher Schöner, auch nicht seiner Mondänen (unschwer als Gabriele Henkel erkennbar), der wir höchst amüsante Anekdoten verdanken.


Eine satirisch hellsichtige, nie langweilige Mentalitätsgeschichte. Raddatz schreibt um die eigene Hygiene und leitet so auch eine überfällige Hygiene im Literaturbetrieb ein, mit dem er wie kein anderer vertraut ist. Ein Muss nicht nur für schwule Männer.


Leben als Literatur: FJR und Schriften
Der Kunstkenner mit Bild von Paul Wunderlich

Facts

Fritz Joachim Raddatz (* 03.01.1931 in Berlin): Feuilletonist, Essayist, Biograph, Schriftsteller.
1971 Habilitation bei Hans Mayer.
1953 - 1958: Lektor im Verlag »Volk und Welt« in Ost-Berlin.
1960 - 1969: stellvertretender Leiter des Rowohlt Verlages.
1976 bis 1985: Leiter des Feuilletons der Wochenzeitung Die Zeit.
1985 – 2001: Kulturkorrespondent in der Zeit.
Seit 1969: Vorsitzender der Kurt-Tucholsky-Stiftung,
Träger des Ordens Officier des Arts et des Lettres.

Werke (Auswahl)
FRITZ J. RADDATZ: Tagebücher, Jahre 1982-2001. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010.
FRITZ J. RADDATZ: Unruhestifter. Erinnerung. List-Verlag © Ullstein, Berlin 2005

• Eros und Tod. Literarische Portraits (1980)
• Die Nachgeborenen. (1983)
• Literarische Grenzgänger. Sieben Essays (2002)
• Eine Erziehung in Deutschland. Trilogie (Kuhauge, Der Wolkentrinker, Die Abtreibung) (2006)

Foto: © Ekkehard Wind, Matthias Luedecke, dpa



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