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Bad Timing

Zur falschen Zeit.
von Peter Jobst, 20.11.2010

Ächtung, Angst vor Erpressung, Gefängnis, ja Tod waren für homosexuelle Männer lange Normalität. Lichtjahre entfernt von dem locker coolen Selbstverständnis, das schwules Leben im liberalen Westen, heute in urbanen Kreisen erfährt.

Alain Claude Sulzers
Roman Zur falschen Zeit führt uns in die Schweiz der 50er Jahre. Er tut dies mit Intensität und sprachlicher Präzision, was der Geschichte die Wucht einer griechischen Tragödie verleiht.

Alles entsteht zur falschen Zeit in diesem Roman, selbst ein Foto, das der 17-jährige Ich-Erzähler findet. Er sucht nach Ursachen für den Selbstmord seines Vaters Emil: Alle hüllen sich in Schweigen.

Wild entschlossen dringt er in ein Netz aus Lügen und Geheimnissen ein und folgt den spärlichen Spuren: wichtiges Indiz: die Uhr mit falscher Zeit auf dem Foto und der Stempel des Ateliers auf der Rückseite.

Auf einer (heimlichen) Paris-Reise fügt er Bruchstücke zu einem erschütternden Zeitbild zusammen: Emil pendelt zwischen Anpassung, Klinikaufenthalten, Umerziehung, bürgerliche Illusionen und Doppelleben.

Während sein Jugendfreund, der leichtlebige André, als Fotograf in der schwulen Pariser Bohème Unterschlupf findet, trifft Emil für sich falsche Entscheidungen, ein Umstand, dem der Erzähler sein Leben verdankt. Emil heiratet und verstrickt sich im Kleinbürgertum seiner Eltern.

Künstlerische und sexuelle Neigungen unterdrückt er erfolglos. Dann die große Liebe zu Sebastian, dessen Mutter ihn erpresst: Eine kleine Zeitungsnotiz, die der Erzähler im Archiv findet, enthüllt die Umstände einer Verzweiflungstat.

Ein mörderischer Seiltanz in einer Epoche, die schwulen Männern Identität und Selbstverwirklichung verweigert. Sich liebende Männer leben zur falsche Zeit am falschen Ort.

Mit Stilsicherheit, Subtilität und Behutsamkeit beschwört Sulzer das Lebensgefühl jener Epoche. Er reduziert jedoch den Erzähler zum geschlechtlosen Neutrum und lässt ihn, inzwischen selbst Vater, am Ende wie ein Phönix aus der Asche heterosexualisiert auferstehen.

Er nimmt seinem "Männerversteher" die Ambivalenz und mindert so Spannung und Qualität des Textes.

Alain-Claude Sulzer: mit Preisen überhäuft
Der Autor als gestrenger Juror

Facts

Alain Claude Sulzer: Zur falschen Zeit, Roman, Verlag Galiani, Berlin 2010.

Alain Claude Sulzer (* 1953 in Basel) Schweizer Schriftsteller.
1990 Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb;
2008 bis 2010: Mitglied der Jury.
Romanen, Erzählungen, Essays, Hörspiele

Werke(Auswahl):
• Ein perfekter Kellner, Zürich 2004
• Privatstunden, Zürich 2007
• Zur falschen Zeit, Berlin : Galiani, 2010
Fotos: www.tagblatt.ch 



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