Kinoleinwandgeher
von Peter Jobst, 25.10.2009.

Michael Pfeifenbergers Film Der Kinoleinwandgeher beginnt mit einem Paukenschlag. Winnetou (Pierre Brice) stirbt in den Armen seine Blutsbruders Old Shatterhand (Lex Barker): Eine Liebe zwischen Männern als Kraftwerk der Gefühle in der deutschen Kinowelt der 60er Jahre.

Tatort des verbotenen Spiels ist ein Kärntner Dorfkino: Der kleine Josef W. (gespielt von Josef Winklers Sohn Kasimir) lässt sich trotz väterlichem Filmverbots auf das dramatische Geschehen in Cinemascope ein. Das Kino bleibt eine wichtige Quelle von Inspiration und Orientierung.

Der inzwischen erfolgreiche, mit Preisen überhäufte Poet des Kälberstrickes (Zitat: Wolfgang Bauer) beginnt von Kärnten aus auf der Leinwand eine Cineastische Wanderung, die ihn in bis nach Varansi (Benares - Indien) und Mexiko führt.

Preise an Josef Winkler lösen (fast) immer Kontroversen aus. Man bewundert die Präzision, Kraft und Radikalität der Prosa. Die offene und brutale Darstellung eines archaischen Katholizismus und Faschismus schreckt ab.

Die Kindheit liefert dem Autor (* 3. März 1953 in Kamering) hinreichend Stoff für Texte: Tabus werden laufend gebrochen: Homosexualität, Unterdrückung, Krankheit, Tod und Verwesung sind allgegenwärtig.

Der Liebestod zweier Burschen, Robert und Jakob, ist auch Ausgangspunkt des Films. Das Bild ihrer an einem Strick baumelnden Körper verfolgt Winkler als ein Leben lang.

Michael Pfeifenberger Episodenfilm setzt beeindruckend mit scharfem Auge Schmerz, Lust, Tod und eine anarchisch ungezähmte Sexualität poetisch wie irritierend in mächtige Bilder um.

Die Viennale 2009 widmet dem Schriftsteller im Künstlerhauskino (30. Oktober: 21:00 Uhr) einen Abend. Nach  Pfeifenbergers Dokumentarfilm liest Winkler ausgewählte Texte. Den musikalischen Teil bestreitet Oliver Welter (Sänger der Kärntner Band Naked Lunch).

Der Film findet faszinierende Bilder von Josef Winklers Lebenswelten, die Schönheit, Gewalt und eine rätselhafte Fremdheit widerspiegeln. Dazu stehen monströse Sätze übermächtig im Raum: Dem Filmemacher gelingt ein radikaler Film Noir Documentaire.