Ein optisches Fest
von Peter Jobst, 03.08.2009.
Jeder neue Film Pedro Almodóvars versetzt sein Land in Hochspannung: Wird dieser Herr von La Mancha die Erwartungen seines (Kino)Volkes erfüllen oder enttäuschen? Mit LOS ABRAZOS ROTOS tut er beides.
Der Protagonist der Movida (madrileña) löst mit dem Aufblühen des Kultur- und Nachtlebens nach Franco eine kollektive Pubertät im spanischen Kultur- und Gesellschaftsleben aus.
Auch der inzwischen erwachsene, mit Preisen überhäufte Almodóvar spart nicht mit Widersprüchen und Zweideutigkeiten: Auch in seinem teuersten Film, den er mit der eigenen Firma El Deseo produziert, vermischt er wild die Genres:
Tragödie, Melodram, Film Noir, Thriller, Slapstick und Komödie verschmelzen zu einem Film über Macht und Leidenschaft. Unfehlbar der Instinkt für die Musik (Alberto Iglesias) und die idealen Darsteller.
Penélope Cruz pendelt zwischen Audrey Hepburn, Marilyn Monroe, Catherine Deneuve. Als erfolglose Schauspielerin zwischen Ehemann und Lover darf sie alles: Sie ist leidenschaftlich, verspielt, dramatisch, schrill und durchgeknallt.
Film in Film: Mateo Blanco verliebt sich bei Dreharbeiten zu "Frauen und Koffer" in die ihm vom Produzenten Ernesto Martel aufgezwungene Schauspielerin Lena. Eine gefährliche Liebschaft beginnt:
Ernesto lässt die beiden von seinem Sohn, der sich Ray X nennt, überwachen. Offiziell dreht dieser ein Making-Off.
Aber auch Mateos eifersüchtige Managerin Judit leidet unter der Amour Fou des Vaters ihres Sohnes, wovon allerdings Mateo keine Ahnung hat.
Nach idyllischen Wochen auf Lanzarote beendet ein Autounfall die Idylle. Mateo verliert sein Augenlicht, Lena ihr Leben. Zufall oder Mord?
Mateo schreibt von nun an als Harry Caine Drehbücher. Eines Tages taucht der schwule Ray X, der sich von seinem Vater gelöst hat, mit einem Vorschlag bei Mateo auf: Er will den von seinem Vater zerstörten Film mit Mateo rekonstruieren.
Almodóvar jongliert in diesem Bilderreigen mit kühnen Schnitten, Zeitebenen, Wendungen und einer exquisiten Kamera. Auch in diesem üppigen Melodram versprüht er pechschwarzen Humor.
Dieses Fest für das Auge mit vielen filmischen Zitaten und Anspielungen ist ein wenig zu sehr im Kopf des (Lehr)Meisters entsprungen. Dennoch eine sinnliche, intelligente, spannende und nie langweilige Lehrstunde des Kinos.